Die Europäische Kooperative Longo mai hat seit Anfang der
Neunzigerjahre eine Niederlassung in Transkarpatien. Die Arbeit
der kleinen internationalen Gruppe konzentriert sich in erster Linie
auf das Dorf Nischnje Selischtsche. Darüber hinaus erfüllt Longo mai eine Brückenfunktion zu interessierten Kreisen in der Ukraine und dem europäischen
Ausland. Kontakte ohne spekulative Hintergedanken werden gefördert.
Den rechtlichen Rahmen für die Arbeit von Longo mai in der Ukraine bietet der Verein nach ukrainischem Recht MOLOTOK.
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Freiwilligeneinsätze:
Longo mai lädt junge Leute zu Freiwilligeneinsätzen in der lokalen
Kulturarbeit ein. Themenbereiche: Theater, Mimik, Akrobatik, Tanz, thematische Veranstaltungen und Festivals, in erster Linie geht es hier um Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Details hier >>>(pdf 40kb)
2010 - 2013:
Aufbau eines Begegnungszentrums am Dorfrand mit ökologischen
Baumethoden, Holzständerbau, Wände aus massivem Mineralleichtlehm, Lehmputz, Komposttoiletten, Grundöfen, Sonnenkollektoren zur Warmwasseraufbereitung. Die Baustelle wird bis 2013
weitergehen und in erster Linie von Freiwilligen getragen. Im Juli 2011 fand hier eine grosse Solidaritätsbaustelle mit etwa 25 deutschen Wandergesellen statt. Fotos siehe >>>
Foto von Anfang 2012: Traditioneller Lehmputz an den Zimmerdecken.
Schweizer Engagement in Transkarpatien. Artikel in der Neuen
Zürcher Zeitung vom 22. Oktober 2010 >>>

Die Longo mai-Gruppe baut am Dorfrand von Nischnje Selischtsche auf mehreren Hektaren Brachland eine kleine Landwirtschaft und ein Begegnungszentrum für kreative, kritische
Menschen aus Ost und West auf. Es entsteht ein Freiraum unter den Vorzeichen von solidarischem Wirtschaften; darüberhinaus engagieren sich die GenossenschafterInnen in konkreten
Projekten gegen die Ausgrenzung von sozialen Randgruppen. Für dieses Projekt ist Longo mai auf private Unterstützung angewiesen.
Ausblick vom Longo mai-Hof auf den schneebedeckten Mentschul.
Abgelegen von den Hauptstrassen und vom Dorfzentrum liegt immer mehr Land brach.
Projektgeschichte
Im März 2003 eröffnete Longo mai eine Dorfkäserei in Nischnje
Selischtsche. Die Idee zur Käserei entstand unter dem Eindruck
des chronischen Milchüberschusses in den umliegenden Dörfern.
Fast jede Familie hält zumindest eine Kuh, nicht verbrauchte Milch
wird den Schweinen verfüttert. Der Aufbau des Käsereibetriebs
nahm über sieben Jahre in Anspruch, das lag in erster Linie an der mühsamen Zusammenarbeit mit der korrupten Bürokratie.
Die „Selisska Syrovarnia“ arbeitet nach dem Vorbild einer Schweizer Dorfkäserei. Mehrere hundert Klein- bzw. Nebenerwerbsbauern aus fünf benachbarten Dörfern liefern täglich ein-
oder zweimal Milch, die Mindestmenge beträgt drei Liter.
Sieben Personen arbeiten im Betrieb und verarbeiten die Milch
(maximal 1'500 Liter pro Tag) zu drei Sorten Käse: Ein Schmierkäse „Khust“, ein Tête de Moine-ähnlicher Halbhartkäse „Selissky“ und eine Art Greyerzer namens „Narziss“. Der Käse
wird ausschliesslich in der Ukraine abgesetzt, etwa 70 Prozent in Transkarpatien, der Rest in Kiew und anderen Regionen der Ukraine.
Die Dorfkäserei von Nischnje Selischtsche „Selisska Syrovarnia“ ist im Besitz eines einheimischen Kleinunternehmers, der einige Monate zur Ausbildung in Schweizer Käsereien
gearbeitet hat.
Ein Vertrag zwischen ihm und de r Kooperative Longo mai stellt
sicher, dass der Betrieb seine
soziale Rolle auch in Zukunft wahrnimmt.
Foto: Noch viel Hand-
arbeit bei der Herstel-
lung eines Laibes
"Narziss".
Biologische Kläranlage
Das Abwasserproblem ist in den meisten Dörfern der Ukraine ungelöst, auch in Nischnje Selischtsche gibt es keine Kläranlage. Im krassen Gegensatz zu dieser Situation entsprechen
die gesetzlichen Auflagen betreffs Abwasseraufbereitung für Käsereien sowjetischen Betriebsgrössen. Damals verarbeitete eine durchschnittliche Molkerei täglich mindestens 100'000
Liter Milch. Nach örtlicher Logik wäre diese Diskrepanz nur durch die Bezahlung von Schmiergeldern zu lösen gewesen.
In Nischnje Selischtsche haben wir eine andere Lösung gefunden. Im Anschluss an die Käserei bauten wir eine biologische Pflanzenkläranlage mit zwei Filtersystemen. Die kostenlose
Planung übernahm ein erfahrener Schweizer Biochemiker, der Bau der Anlage wurde durch eine Subvention des Entwicklungfonds der Stadt Basel und aus privaten Beiträgen an den Verein
Pro Longo Mai finanziert.
Das in den kleinen Bach abfliessende Wasser steht in der Qualität normalem Oberflächenwasser in nichts nach.
Trinkwasserversorgung
Obwohl die ukrainischen Karpaten ein niederschlagsreiches Gebiet sind, liegt es mit der Trinkwasserversorgung an vielen Orten im Argen. Der Bedarf an hochwertigem Trinkwasser für
die Käserei zwang uns, in Nischnje Selischtsche Abhilfe zu verschaffen. Die Unterstützung der DEZA (Schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, Abteilung für
Humanitäre Hilfe) ermöglichte den Bau einer Quellfassung und vier Kilometer langen Wasserleitung bis ins Dorfzentrum. Ausser der Käserei sind seit Sommer 2004 auch die Dorfschule,
der Kindergarten, die Dorfklinik und das Kulturhaus mit erstklassigem Trinkwasser versorgt. Ein öffentlich zugänglicher Trinkbrunnen erlaubt der Bevölkerung, Gefässe zu füllen.
Komposttoilettenanlage
In den ukrainischen Karpaten ist das Plumpsklo nach wie vor die übliche
Toilettenvariante. Der Einbau von Spültoiletten in die Wohnhäuser nimmt derweil zu und bedroht zusätzlich die Qualität des Grundwassers. Im Longo mai-Haus haben wir vor mehreren
Jahren Komposttoiletten nach Vorbild des Ökozentrums Schattweid (Wolhusen LU) errichtet. Der problemlose Betrieb der kleinen Anlage ermunterte den Direktor der Dorfschule (450
Schüler), den Bau von Komposttoiletten an der Schule vorzuschlagen. Eine erneute Unterstützung der Stadt Basel ermöglichte die Realisierung des Projekts.
Ausser den hygienischen und ökologischen Vorteilen der neuen Anlage (Eröffnung Ende April 2006) geht es ganz wesentlich um einen pädagogischen Aspekt. Der kaum verbreitete Gedanke der
Kompostwirtschaft soll der jungen Generation nahe gebracht werden.
Kultur- und Jugendhaus „Klub Dolyna Khustets“
Der „Klub“ von Nischnje Selischtsche (er trägt den Namen des Tales „Dolyna Khustets“) stand jahrelang leer, als wir uns im Frühjahr 2002 dazu entschlossen, ihn langfristig zu
mieten und in erster Linie für die Dorfjugend neu zu eröffnen. Zu Beginn standen übliche Freizeitbeschäftigungen für die Jugend, die zuletzt aus dem Dorf verschwunden waren:
regelmässige Tanzabende, Filmvorführungen mittels eines grossen Videoprojektors, Billard, Tischtennis, Tischfussball, neu auch eine Computerklasse, die gemeinsam mit der
Dorfschule betrieben wird. Die Jugendlichen ab 13 Jahren können als Mitglieder des Klubs unbeschränkt von allen Einrichtungen inklusive Internet profitieren. Gewählte Vertreter
der Jugendlichen beteiligen sich an Entscheidungen im Klubbetrieb.
Von Anfang an bot das neueröffnete Kulturhaus auch der einheimischen Musikgruppe Hudaki Unterkunft als Probelokal.
Die Jugendtheatertruppe "Tschiga Biga" probt regelmässig. Ein internationales Jugendtheaterfestival fand im Mai 2011 zum fünften Mal statt.
Speziell für (junge) Mütter entsteht ein Dorftreffpunkt: Im Anschluss an das neu eröffnete Klubcafé „Cinema“ (ohne Alkohol!) ist ein Kinderspielraum entstanden, ein Infokiosk
bietet nützliche Bücher und Revuen.
Der aufkommende vielseitige Betrieb des Klubs wird von der Baufälligkeit des Gebäudes ziemlich beeinträchtigt. Umfangreiche Renovationsarbeiten sind nötig: Das Flachdach des 1988
fertig gestellten, riesigen Gebäudes (1'100 m2 auf zum Teil mehreren Etagen) war nie dicht und wurde 2007 - 2008 völlig neu überdacht. Die Zentralheizung konnte dank der
Unterstützung der Kanadischen Botschaft in Kiew im Jahr 2003 erneuert werden.
Selisska Spivanka
Im Jahr 1999 feierten wir zu Petra y Pavle (am 12. Juli) das erste Mal das Dorffest Selisska Spivanka. Ein Organisationskomitee aus dem Dorf bestimmt das Programm und trägt die
volle Verantwortung für den Grossanlass. Seit 2002 findet das Dorffest im Zweijahresrhythmus statt und zieht jedes Mal mehr Publikum an. Musik und Tanz auf dem Platz, Schaschlik,
Sportwettbewerbe, eine grosse Tombola u.s.w. geben der „Spivanka“ einen echten Volksfestcharakter.
Tourismus
Zahlreiche Gäste aus dem Ausland, vermehrt auch aus anderen Regionen der Ukraine nutzen Nischnje Selischtsche als Angelpunkt, um die Region und natürlich auch die Projekte von
Longo mai kennenzulernen. Ein Empfangskomitee vermittelt Gastfamilien im Dorf. Gruppen werden von den Gastfamilien gemeinsam im Kulturhaus verköstigt.
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